Einführung in das Energiesystem des Menschen: Prana, Nadis, Chakren und Kundalini
Der menschliche Körper ist von einem Energiefeld umgeben und von Energien durchdrungen. Dieses Energiesystem besteht aus Prana (Lebensenergie), Nadis (Energiekanälen), Vayus (Energiewinden) und Chakren (Energiezentren).
Solange das Energiesystem harmonisch ist, kann der Mensch gesund und voller Lebensfreude leben. Häufig geraten jedoch eins oder mehrere dieser Elemente aus dem Gleichgewicht.
Im Yoga wird angenommen, dass die sieben Hauptchakras entlang der Wirbelsäule bis zur Kopfkrone verlaufen. Einige Chakras entstehen durch die Kreuzung der Energiekanäle Sushumna, Ida und Pingala Nadi. Auch die Kundalini-Energie ist mit der Chakren-Lehre verbunden und schläft bzw. beginnt im Bereich des Wurzelchakras. Um diese Energie zu erwecken, muss der Fluss nach oben frei sein bzw. frei gemacht werden, was durch verschiedene yogische Praktiken (z.B. Pranayama oder Meditation) bezweckt wird.

Prana – die Lebensenergie
Das erste Element, an das viele im Zusammenhang mit dem Energiesystem des Menschen denken, ist die Lebensenergie. Diese wird nicht nur im Sanskrit bzw. Yoga, sondern auch in verschiedenen anderen Traditionen und Kulturen beschrieben. In der Traditionellen Chinesischen Medizin (TCM) wird sie beispielsweise als Qi bezeichnet.
Im Yoga wird die Lebensenergie anlehnend an den Sanskrit-Begriff als Prana bezeichnet.
Dies bedeutet wörtlich übersetzt Hervor-Atem (Pra-Ana) und fasst Atem, Leben, Seele und Lebenskraft zusammen. Prana lässt sich nicht vollständig grobstofflich (also haptisch greifbar) erklären und wird daher auch den feinstofflichen Qualitäten zugeordnet. Eine grobstoffliche Qualität von Prana wäre beispielsweise der Atem.
Prana kann über fünf verschiedene Quellen aufgenommen werden, die sich an den fünf Elementen orientieren:
· Erde Nahrung
· Wasser Flüssigkeitszufuhr
· Feuer Licht
· Luft Atmung
· Raum bzw. Äther Kraftorte und Beziehungen
Fließt das Prana nicht richtig, so kommt es zu energetischen Blockaden. Diese lassen sich mit Blick auf die o.g. Elemente beeinflussen und lösen. So konzentriert sich Ayurveda beispielsweise auf Ernährung und Flüssigkeitszufuhr, um Prana fließen zu lassen. Im Yoga wird durch die Atmung (Pranayama) das Prana beeinflusst. Mithilfe der Bandhas (Energieverschlüsse im Körper) kann Prana gezielt gelenkt werden. Auch dadurch können Blockaden gelöst werden.
Die fünf Winde des Körpers: Vayus
Wie auch Prana selbst, sind die Vayus im gesamten Universum vorhanden. Prana unterteilt sich in der Luft- bzw. Atem- sowie in der Raumperspektive in fünf Vayus (Winde). Damit wird unterschieden, in welche Richtung die Energie fließt und welche Funktion im Fokus steht. Dabei liegt der Fokus erneut sowohl auf der grob- als auch auf der feinstofflichen Ebene, wenn es um die Energieverteilung im Körper geht. Das Zentrum aller Vayus liegt im Bauchnabel.
Die fünf Vayus lassen sich ihrer Funktion nach in drei Themenkategorien unterteilen:
Einatmung: Prana & Udana Vayu
Neben der Betrachtung des Prana als Lebensenergie wird Prana teilweise ebenfalls als ein Körperwind verstanden. Dies widerspricht zwar nicht der vorherigen Betrachtungsweise, allerdings klammert dieser Ansatz bewusst die Elemente Erde, Wasser, Feuer und Äther aus. Des Verständnisses wegen wird für diesen Ansatz statt des Begriffs Prana der Begriff Pran (Sanskrit für atmend) benutzt.
Pran Vayu ist mit der Einatmung verbunden und lässt sich im Kopf-, Hals- und Brustraum verorten. Neben der reinen Atmung ist Pran Vayu ebenfalls für Herz, Sinnesfunktionen und geistige Tätigkeiten verantwortlich.
Ein zweiter mit der Einatmung verbundener Energiewind ist Udana Vayu. Udana bedeutet aufsteigend/nach oben und bezeichnet den Wind, der vom Nabel zum Kehlkopf aufsteigt. Dieser Wind beschäftigt sich mit Kehlkopf-Themen wie der Sprache sowie mit dem Willen und dem Ausdruck. Außerdem wird er auf gröberer Ebene mit Gedächtniskraft und geistiger Entwicklung in Verbindung gebracht.
Patanjali schreibt hierzu „Wenn der Übende Kontrolle über Udana Vayu erlangt, wird er unberührt von Wasser, Sumpf und Dornen. Seine Energie wird aufwärts steigen.“ (3.39)
Ausatmung: Apana Vayu
Der Sanskrit-Begriff apana bedeutet nach unten/sich entfernend und ist mit der Ausatmung verbunden. Dieser Wind weht vom Nabel bzw. Unterleib aus absteigend und spricht besonders Themen an, die sich mit Ausscheidungs- bzw. Stoffwechselvorgängen beschäftigen. Aber auch Sexualität und Kreativität sowie herunterfahrende Aktivitäten wie Hingabe, Vertrauen und zur-Ruhe-Kommen werden in diesem Wind angesprochen. Außerdem ist Apana Vayuzuständig für das Immunsystem.
Ausgleich und Verteilung: Samana & Vyana Vayu
Samana bedeutet ausgleichend, was auch die Funktion dieses Windes beschreibt. Samana Vayu lässt sich im Dünndarm verorten und versorgt das Verdauungssystem sowie die Nerven mit Energie.
Vyana bedeutet nach außen fließend und lässt sich im Brustbereich bzw. im Herzen verorten, von wo aus es sich in den gesamten Körper ausbreitet. Dieser Wind hat die Verbindung zu sich und anderen sowie Koordination als Hauptthemen inne. Diese Koordination übernimmt Vyana Vayu auch für die Vayus untereinander. Vyana Vayuverteilt die Energie sowohl im Blutkreislauf als auch in den Gelenken und Muskeln.
Nadis
Wie unser Blut durch Adern fließt, fließt auch Prana durch Bahnen, die den Körper durchdringen: Die sogenannten Nadis.
Auch der Begriff Nadi kommt aus dem Sanskrit und hat viele verschiedene Bedeutungen. In diesem Zusammenhang sind wohl Ader, Röhre bzw. Bewegung oder Puls (Nad) die bedeutendsten. Nadis sind Energiekanäle bzw.-bahnen, durch die Prana, fließt. Auch Nadis wird nicht nur im Yoga bzw. Ayurveda Bedeutung beigemessen, auch in der TCM finden diese Adern Beachtung, werden hier jedoch als Meridiane beschrieben.
Die genaue Anzahl der Nadis kann nicht genau bestimmt werden, da es sich z.T. um feinstoffliche Elemente handelt, die nicht durch Sezieren eines menschlichen Körpers bestimmt werden könnten. Bestimmte Literatur spricht von 72.000 Nadis, andere sogar von 350.000. Zwischen den einzelnen Nadis gibt es Verbindungsstellen, die sogenannten Marmas.
Bedeutende Nadis
Die bedeutendsten Nadis lassen sich zu den untenstehenden 14 zusammenfassen, wovon dreien eine besonders hohe Bedeutung beigemessen wird:
· Gandhari: Nadi vom linken Auge bis zum großen Zeh des linken Fußes
· Hastijhya: Nadi vom rechten Auge bis zum großen Zeh des linken Fußes
· Pusha: Nadi vom rechten Ohr bis zum großen Zeh des rechten Fußes
· Yashasvini: Nadi vom linken Ohr zum großen Zeh des rechten Fußes
· Alambusha: Nadi am Anus entspringend zum Mund
· Kuhu: Nadi vom Hals zu den Genitalien
· Shankhini: Nadi vom Hals zum Anus
· Saraswati: Nadi von der Zunge zu den Stimmbändern
· Payaswani: Nadi vom rechten Ohrläppchen zu den Hirnnerven
· Varuni: Nadi zwischen Hals und linkem Ohr zum Anus
· Vishwodari: Nadi vom Nabelzentrum (Qi)
Die drei Haupt-Nadis: Sushumna, Ida und Pingala
Im Yoga liegt der Fokus in der Regel auf den drei Haupt-Nadis, nämlich Ida, Pingala und Sushumna.
Sushumna gilt als zentraler Haupt-Nadi und verläuft vom Beckenboden durch den Spinalkanal der Wirbelsäule bis zum Schädeldach.
Ida verkörpert das weibliche Prinzip. Es entspringt, auch im Beckenboden und führt über die linke Körperseite bis zur linken Seite der Nase. Ida Nadi steht für den Mond, das Kühle, Kreativität, Ruhe, Entspannung und Regeneration.
Pingala gilt als das männliche Prinzip. Auch Pingala entspringt dem Beckenboden und führt dann über die rechte Körperhälfte bis zur rechten Nasenöffnung. Es steht für die Sonne, Wärme, Aktivität und das rationale Denken.
Ida und Pingala Dominanz
Die Dominanz von Ida und Pingala kann über die Öffnung der Nasenlöcher wahrgenommen werden. In einem regelmäßigen Abstand von ca. zwei Stunden wechselt sich die Dominanz von Ida und Pingala ab. Dabei gilt, dass die Dominanz auf der Seite vorliegt, auf der besser geatmet werden kann. Bei rechts liegt also eine Pingala-, bei links eine Ida-Dominanz vor. Mit dieser Dominanz geht einher, dass Aktivitäten, die dieser Nadi zugeordnet werden können, jetzt leichter fallen. Ist also beispielsweise Pingala dominant, kann man besser rational denken, überzeugen und Nahrung besser verdauen.
Mithilfe des Wissens um diese Dominanz kann auf die verschiedenen benötigten Qualitäten Einfluss genommen werden. Man kann sich zum Beispiel auf die Seite legen, deren Qualitäten gerade von geringerer Bedeutung sind und so dem gegenüberliegenden Nasenloch die Möglichkeit geben, sich zu öffnen.
Neben der Möglichkeit zur Verstärkung der Dominanz können Ida und Pingala auch ausgeglichen werden. Dies funktioniert besonders gut mithilfe der Wechselatmung.
Chakren
Zum Energiesystem des Menschen gehören neben Prana und den Nadis auch die Chakras bzw. Chakren (wird synonym verwendet). Sie stellen die Energiezentren des Menschen dar. Die Nadis kreuzen sich an bestimmten Knotenpunkten und bilden energetische Zentren, an denen sich Prana sammelt.
Auch der Begriff Chakra leitet sich aus dem Sanskrit ab und bedeutet so viel wie Rad oder Kreis. Wie bei den Nadis ist auch die Zahl der Chakren nicht genau bestimmbar, da es sich um feinstoffliche Elemente handelt. Viele Werke gehen inzwischen von mehreren tausend Chakren aus. Der Fokus im Yoga und in dieser Ausarbeitung liegt auf den sieben bekanntesten Chakras, den Hauptchakras. Diese befinden sich übereinander entlang der Wirbelsäule.
Jedes Chakra ist unterschiedlichen Organen, Emotionen sowie Charaktereigenschaften zugeordnet und schwingt in einer speziellen Farbe. Diese Farben bilden die Farben des Regenbogens in ihrer Reihenfolge ab, wobei das Herzchakra (meistens grün) gelegentlich auch rosa dargestellt wird. Dies spiegelt sich auch in dem Chakra unterstützenden Edel- bzw. Heilstein Rosenquarz wider.
Sofern alle Chakren in Balance sind, ist der Körper ebenfalls gesund und ausgeglichen. Umgekehrt kann bei einer Blockade eine Disharmonie entstehen (Sanskrit: Granthi: Knoten, Verhärtung), die sich auch auf physische und emotionale Gesundheit auswirken kann.
· Brahma Granthi: Liegt im Bereich des Wurzelchakras. Themen sind u.a. Erdung, und Sicherheit.
· Vishnu Granthi: Liegt im Bereich des Herz-Chakras und bildet eine Beeinträchtigung des Energieflusses vom Solarplexus- zum Herzchakra ab. Themen sind u.a. Liebe, Mitgefühl, Selbstfürsorge und Hingabe.
· Rudra Granthi: Liegt im Bereich des dritten Auges und stört den Energiefluss zu den höheren Chakren. Themen sind hier besonders ein festgefahrenes Denken sowie ein zu starker Fokus auf den persönlichen Intellekt.
Eine falsche Ernährung, dauerhafter Stress, negative Glaubensmuster, eine negative Sprache sowie traumatische Erfahrungen können sich auf den Energiefluss des Menschen auswirken. Dies kann sich körperlich oder geistig bemerkbar machen. Umgekehrt können mithilfe dieses Wissens Blockaden beseitigt werden (also mithilfe einer gesunden Ernährung, Atemübungen, Singen oder Sprechen von Mantras, Meditation, Asanapraxis etc.).
Zum tieferen Verständnis über die einzelnen Chakren findet sich in der Tabelle eine Übersicht über (Sanskrit-)Begrifflichkeiten, Qualitäten, Symbole, Farben, Disbalancen etc.
